Kunst und Leben

Als ich im Herbst 1988 zum Studium nach Westberlin kam, erlebte ich eine starke Politisierung meiner bisherigen Wertvorstellungen. In der Schweiz hatte ich mich vor allem als Einzelkämpferin gesehen. Schon durch die Studentenstreiks und später mit der Öffnung der Mauer war für mich aber klar, daß ich mich mit Gleichgesinnten zusammentun wollte. Die Gründung der KuLe (Kunst und Leben) als kollektive Hausgemeinschaft war damals ein eher unzeitgemässes Lebensmodell. In den Augen vieler Linken war die Idee der Kommune überholt. Wir wollten aber unsere eigenen Erfahrungen machen. Selbstbestimmung und die Eroberung von Freiräumen war der Motor für viele Hausbesetzungen in den frühen 90er-Jahren in Ostberlin.

Ich realisierte einen wichtigen Teil meiner Kunstprojekte in selbstbestimmten Kontexten, die aus dieser Bewegung hervorgegangen sind. Die eigenen Räume und Produktionsmittel sicherten uns die Kontinuität der Arbeit auch unabhängig von institutionellen Förderungen. Angesichts der Streichung von finanziellen Mitteln im Kulturbereich und den drastischen Mieterhöhungen in Berlin ist dieser Ansatz bis heute aktuell. Die Gefahr des Rückzugs in eine Nischenkultur steht dem prinzipiellen Erhalt der Handlungsfähigkeit gegenüber. Es sind also Strategien der Überlebenstechnik, um die künstlerische Arbeit nicht zu sehr von außen bestimmen zu lassen und die sensiblen Prozesse, die bei der Entstehung neuer Arbeiten ablaufen, nicht im vornherein durch einen Rechtfertigungsdruck zu behindern.

Das Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft wie sie die KuLe darstellt, bringt viele Vorteile in der Verbindung von Beruf und Familie. Als ich kurz nach dem Studium meine erste Tochter bekam, bedeutete das nicht zwangsläufig einen Rückzug ins Privatleben. Ich konnte die künstlerische Arbeit sehr bald weiterführen. Durch das soziale Netzwerk im Haus, die Alltagskommunikation und den Austausch mit vielen unterschiedlichen Menschen und internationalen Gästen war eine persönliche Weiterentwicklung möglich und entstand ein starkes Beziehungsnetz. Ein Teil dieser Kontakte und Freundschaften erweisen sich bis heute als tragfähig, auch wenn ich seit vielen Jahren nicht mehr im Haus lebe.

Zwischen 2014 und 2016 habe ich in Zusammenarbeit mit Ursula Maria Berzborn an einer umfangreichen Publikation über die inzwischen 26jährige Geschichte der KuLe und ihrer vielschichtigen Netzwerke gearbeitet. Außerdem beteiligte ich mich als Co-Kuratorin und Veranstalterin im laufenden Programm und machte mich für die Venetzung mit anderen künstlerischen Projekträumen stark.